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DFB vor der Heim-EM: Auf einmal alles in Butter


Der DFB vor der Heim-EM
Ein Glücksgriff


20.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Rudi Völler: Er gibt dem DFB Ruhe und Ordnung.Vergrößern des Bildes
Rudi Völler: Er gibt dem DFB Ruhe und Ordnung. (Quelle: Maik Hölter/TEAM2sportphoto/imago-images-bilder)

Noch vor wenigen Monaten versank der DFB im Chaos. Bei der Heim-EM drohte ein Desaster. Jetzt ist plötzlich alles anders – und verantwortlich dafür ist vor allem ein Mann.

Wir schreiben den September 2023: Der Deutsche Fußball-Bund hat gerade einmal mehr zum Aufbruch geblasen. Nach zuletzt schwachen Testspielergebnissen sei nun die Zeit der Experimente vorbei, ließ Bundestrainer Hansi Flick verlauten. Jetzt gehe es in die ernsthafte Vorbereitung auf die EM und alles werde besser, so die Einstellung des DFB.

Doch nichts wurde besser: Stattdessen setzte es für das DFB-Team die nächste krachende Niederlage gegen einen eigentlich unterlegenen Gegner. 1:4 gegen Japan. Aufbruchstimmung? Dahin. Und Bundestrainer Hansi Flick? Nur einen Tag später entlassen. Als erster Trainer der DFB-Geschichte.

Die Krise des deutschen Fußballs – sie schien nicht enden zu wollen. Vorrunden-Aus bei der WM 2018, Achtelfinal-Aus bei der EM 2021, erneutes Vorrunden-Aus bei der WM 2022 und statt Neubeginn und Wiederaufbau Testspiel-Pleiten ohne Ende. Von Vorfreude auf die Heim-EM war keine Spur. Weniger als ein Jahr vor dem Auftaktspiel erschien das für den DFB so wichtige Turnier wie dunkle Gewitterwolken am Horizont.

Nur sieben Monate später surft der DFB auf einer Erfolgswelle, sowohl sportlich als auch personell. Auf einmal ist wieder alles in Butter – und verantwortlich dafür ist hauptsächlich ein Mann: Rudi Völler.

Völlers Verpflichtung wirkte wenig inspirierend

Ein Problem, das den DFB lange plagte: Der Verband agierte oft mutlos, war nicht zu radikalen Änderungen bereit. Der DFB schwimme zu sehr in der eigenen Suppe, hieß der häufig vorgebrachte Vorwurf. Das Engagement von Hansi Flick als Nachfolger von Jogi Löw, dessen Co-Trainer er lange Jahre war, sprach dabei Bände.

Auch die Verpflichtung von Völler als neuem DFB-Direktor wirkte wenig inspirierend. Immerhin war Völler schon im Jahr 2000 als Notnagel zum DFB geholt worden, damals als Teamchef. Nun sollte er erneut den Retter spielen – und das, obwohl er selbst zunächst wohl Zweifel hatte und die Aufgabe aus reinem Pflichtgefühl übernahm.

Kritiker konnten sich dann zunächst auch bestätigt sehen. Denn an seiner ersten Aufgabe, den damaligen Bundestrainer Hansi Flick im Amt zu stützen, scheiterte Völler prompt. Nach mehreren Testspiel-Niederlagen gegen Gegner wie die Ukraine oder eben Japan musste Völler Flick entlassen.

Wie viel Kraft ihn die Bewältigung der DFB-Krise kostete, wurde nach dem Frankreich-Spiel deutlich, bei dem er aufgrund der kurzfristigen Flick-Entlassung auch noch als Interimstrainer eingesprungen war. Zwar gewann das DFB-Team mit 2:1, doch danach stand er von Regen und Schweiß getränkt völlig erschöpft in der Mixed Zone. "Ich sah müde aus, das stimmt. Aber die Tage zwischen den Spielen waren viel anstrengender als das Spiel gegen Frankreich", sagte der DFB-Sportdirektor später in einem Interview der "Welt am Sonntag" über die Situation.

Völler brachte den ersehnten Mut zum Risiko

Abschrecken ließ sich Völler von der Erfahrung aber nicht. Im Gegenteil: Er fasste neuen Mut und schubste den Verband in den Jungbrunnen. Berichten zufolge war es Völler, der unbedingt Julian Nagelsmann als neuen Trainer verpflichten wollte und dies auch gegen einige Zweifler durchsetzte. Da war er endlich: der lang ersehnte Mut zum Risiko beim DFB.

Zwar gilt Nagelsmann als einer der talentiertesten Trainer der Welt, jedoch war er zum Zeitpunkt seiner Berufung zum Bundestrainer gerade erst an seiner ersten wirklich großen Aufgabe bei den Bayern gescheitert und galt in den Augen vieler Kommentatoren als möglicherweise zu jung für den DFB-Job. Doch Völler vertraute auf Nagelsmanns Talent.

Nach leichten Anfangsschwierigkeiten nahm sich Nagelsmann selbst ein Beispiel an Völlers Mut und gab die Verjüngungskur unmittelbar an den Kader weiter. Zu den Länderspielen im vergangenen März ließ er angestammte Kräfte wie etwa Leon Goretzka oder auch die BVB-Profis um Julian Brandt, Nico Schlotterbeck und Niklas Süle zu Hause. Stattdessen setzte er das Leistungsprinzip durch und nominierte mit Waldemar Anton, Maximilian Mittelstädt und Deniz Undav vom VfB Stuttgart formstarke Profis, die mit einer Menge Rückenwind aus der Bundesliga zur Nationalmannschaft kamen.

Nagelsmanns Taktik ging auf: Gegen die starken Gegner Frankreich und Niederlande zeigte das neu zusammengestellte DFB-Team überzeugende Leistungen und holte zwei verdiente Siege. Auf einmal war auch die Euphorie bei den Fans da.

Die hatte offenbar auch den anfangs noch so zweifelnden Völler gepackt. Schon im Rahmen der Länderspiele ließ der Weltmeister von 1990 durchblicken, dass er sich ein längeres Engagement beim DFB vorstellen könne. Der Verband ließ sich nicht lange bitten und meldete Anfang April Vollzug. Völler verlängerte seinen Vertrag bis zur WM 2026.

Dabei ließ auch er selbst durchblicken, dass der Job als DFB-Direktor erst mit der Zeit von einer Pflichterfüllung zur Herzensangelegenheit geworden ist. "In den zurückliegenden 14 Monaten meiner Tätigkeit habe ich festgestellt, dass mir die verantwortungsvolle Aufgabe beim DFB von Tag zu Tag mehr ans Herz gewachsen ist", ließ er verlauten. "Was anfangs vielleicht aus einem Gefühl der Verpflichtung gegenüber Deutschland, dem Verband und der Nationalmannschaft begann, hat sich längst auch zu einem persönlichen Anliegen entwickelt", so Völler weiter.

Ein komplett neuer Anstrich

Dabei spielte wohl auch die Zusammenarbeit mit Nagelsmann eine Rolle. Die beiden sollen sich prächtig verstehen – und damit wurde Völler wohl auch umgekehrt zum entscheidenden Faktor bei der nun erfolgten Verlängerung mit Nagelsmann. Die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Nagelsmann ist Völlers Meisterstück. Einen der talentiertesten Trainer bei einem zuletzt äußerst erfolglosen Verband zu halten, obwohl internationale Topklubs an ihm baggern, ist für niemanden eine leichte Aufgabe. Doch Völler meisterte sie. Nicht umsonst sagte auch Bayern-Coach Thomas Tuchel über die Vertragsverlängerung Nagelmanns: "Ich habe eigentlich damit gerechnet, als Rudi Völler verlängert hat."

Innerhalb von sieben Monaten hat sich der DFB unter der Leitung Völlers nun also einen komplett neuen Anstrich verpasst. Der sportliche Erfolg ist zurück, die entscheidenden Positionen auf absehbare Zeit besetzt – und das mit Personen, deren Entscheidungen Fans und Beobachter gleichermaßen vertrauen. Stück für Stück und doch in rasanter Geschwindigkeit hat der DFB es geschafft, sich aus seinem Loch zu befreien.

Ausgerechnet die Verpflichtung von Völler, die zunächst wirkte wie ein weiteres Kapitel im trägen und risikoarmen Handeln eines verstaubten DFB, erwies sich dabei als Glücksgriff – und die Gewitterwolken, die noch vor wenigen Monaten die Aussicht auf die Heim-EM verdunkelten, haben sich als nichts anderes als ein kräftiger Rückenwind entpuppt.

Verwendete Quellen
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